Zukunftsängste, Stress auf der Arbeit oder Bedauern über etwas, das nicht so lief wie es sollte – wenn uns etwas bedrückt, sehen wir manchmal nur noch das Problem. Und blasen es in unserem Kopf auf wie einen Ballon. Hier findest du Tipps, wie du dich da wieder rausmanövrierst.
Sorgen, Ängste oder Trauer sind Stress für unser Nervensystem. Damit einher gehen Unsicherheit und Ungewissheit – Dinge, die unser Gehirn gar nicht mag. Denn für unsere Vorfahren, die es im Gegensatz zu uns auch mal mit wilden Tieren zu tun hatten, stellten sie eine Bedrohung für Leib und Leben dar. Die biologische Reaktion, die wir alle tief einprogrammiert haben, ist eine erhöhte Ausschüttung von Adrenalin und der „Fight, flight or leave“-Modus. Das heißt: die Verengung unserer Optionen in Grenzsituationen auf Offensive, Defensive oder Flucht. Was Auge in Auge mit einem Säbelzahntiger sinnvoll gewesen sein mag, hilft uns bei unseren heutigen Problemen meist leider nicht. Denn wenn sich unser Blick verengt, scheint unsere Welt nur noch aus unserem Problem zu bestehen. Dadurch wirkt es übermächtig, beherrscht unsere Gedanken und blockiert uns darin, gute Entscheidungen für unsere weiteren Schritte zu treffen.
In solchen Momenten ist es wichtig, dass wir uns darüber bewusstwerden und Strategien entwickeln, um dem engen Problemfokus zu entkommen und unseren Blick wieder zu weiten.
Das Zauberwort lautet: Perspektive.
So sehr unser Problem unser Leben gerade zu bestimmen scheinen mag – es besteht noch aus viel mehr. Wir müssen nur einen Weg für uns finden, wie wir aus der Problemlupe wieder herauszoomen. Denn dann können wir auch wieder bessere Entscheidungen für uns treffen.
In Teil 1 findest du hilfreiche Anregungen, wie dir das gelingen kann, indem du dein Problem zeitlich richtig einordnest.
Aus dem Problem herauszoomen
Unser aktuelles Problem mag auf uns so wirken, als würde es unser gesamtes Leben für immer und in ständig dominieren. Es kann helfen, uns bewusst zu machen, dass es
- … eine Zeit gab, in der unser Problem für uns keine Rolle gespielt hat, und in der Menschen vor uns Ähnliches gelöst haben.
- … eine Zeit geben wird, in der wir unser aktuelles Problem entweder gar nicht mehr haben oder anders bewerten werden.
- … bei allem, was wir als schwierig und belastend empfinden, immer noch den ganz gegenwärtigen Moment gibt. Sekunde für Sekunde für Sekunde.
Wenn wir wirklich präsent im Moment sind, merken wir, dass unser Problem eigentlich entweder in der Vergangenheit oder Zukunft liegt. Das kann so klingen: „Ich habe Angst davor, dass X eintritt“ / „Was wird nur passieren, wenn ich mit Y das Problemgespräch führen muss“ / „Ich hätte mich in dem Meeting gestern nicht so verhalten sollen“. Es hilft, wenn wir uns bewusst machen, wann das Problem wirklich besteht und gelöst werden muss. Oft muss nämlich in der ganz gegenwärtigen Situation gar nichts gelöst werden. Während wir auf dem Sofa sitzen und grübeln, müssen und können wir in Wahrheit oft gerade gar nichts tun, um das Problem zu lösen. Und es kann unheimlich entlastend sein, sich das aktiv klar zu machen.
Dazu helfen folgende Reflexionsfragen:
- Kann ich jetzt gerade, in genau diesem Moment, aktiv etwas an meinem Problem verändern?
- Kann ich jetzt gerade etwas lösen?
- Muss ich jetzt gerade aktiv werden, damit etwas nicht eintritt, das ich nicht möchte?
- Kann ich jetzt gerade etwas daran ändern, was sich in der Vergangenheit abgespielt hat?
Und mit „jetzt“ meine ich wirklich jetzt – nicht in 5 Minuten oder 2 Stunden. Wenn die Antwort nein lautet (das tut sie ziemlich oft), dann können wir uns sagen: Jetzt gerade ist das Problem nicht dran. Wenn es wieder an der Reihe ist (in 5 Minuten, 2 Stunden, einem Monat…) werde ich mich darum kümmern. Aber jetzt gerade kümmere ich mich um etwas anderes.
- Beeinträchtigt das Problem jetzt gerade in diesem Moment mein Leben?
- Hindert es mich daran, das zu tun, was ich gerade tue? (Autofahren, Kaffee trinken, ein Telefonat führen, Essen kochen, eine Absprache mit Kolleg:innen führen…)
Damit ist nicht gemeint, ob es mich emotional beschäftigt oder bedrückt, sondern ganz konkret, ob es mich gerade jetzt daran hindert, meinem Alltag nachzugehen. Wenn nein, dann können wir uns aktiv sagen: Jetzt gerade mache ich Tätigkeit X. Ich weiß, dass das Problem besteht. Ich sehe es und ich kümmere mich zu gegebener Zeit darum. Aber jetzt gerade wasche ich Wäsche / arbeite ich an Projekt Y / fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit…
Reise in die Vergangenheit
Manchmal, wenn ich große Sorgen habe, hole ich vergilbte Boxen mit Schwarzweißfotos meiner Familie heraus und schaue sie an. Warum? Wenn ich mir die Gesichter anschaue, male ich mir aus, was all diese mehr oder weniger mit mir verwandten Menschen im Laufe ihres Lebens für Herausforderungen bewältigen mussten. Heute, viele Jahrzehnte später, sitze ich auf meinem Sofa, schaue in kurze Schnappschüsse aus ihrem Leben und versuche, den Ausdruck in ihren Augen zu deuten. Und dabei fühle ich mich wie ein kleines Puzzleteil in einem großen Bild. Wenn ich mir diese alten Bilder ansehe, wird mir bewusst, dass vor mir viele Menschen ihren Weg gegangen sind und dass viele nach mir kommen werden. Mir gibt das ein beruhigendes Gefühl, Teil einer großen Geschichte zu sein, in der ich selbst mit meinen aktuellen Herausforderungen nur ein kleines Rädchen bin.
Falls du keine alten Familienbilder hast, kannst du dir genauso gut vorstellen, welche Sorgen wohl jemand gehabt haben mag, der vor genau 100 Jahren so alt war wie du heute und am selben Ort gelebt hat. Sich eine solche langfristige Perspektive bewusst zu machen, kann dazu beitragen, um aus deinem aktuellen Problembewusstsein herauszukommen.
Gegencheck mit deinem zukünftigen Ich
Nicht nur die Vergangenheit, auch die Zukunft hilft dir dabei, dein Problem besser einordnen zu können: Stell dir vor, du triffst dich selbst in fünf, in zehn oder auch in 20 Jahren. Was wirst du über dein Problem von heute denken? Wie wirst du es in der Zukunft bewerten? Was wirst du deinem heutigen Ich raten, wie du damit umgehen sollst, mit dem Wissen und der Erfahrung der Zukunft? Schreib die Frage auf und antworte dir selbst in einem Brief. Versetze dich dabei in dein zukünftiges Ich hinein. Was wird es dir zu deinem heutigen Problem wohl raten? Oft wird uns bei der Reise in die Zukunft schnell bewusst, dass das, was uns heute unglaublich schrecklich erscheint, in fünf Jahren schon längst keine Rolle mehr spielen wird.
In Teil 2 findest du weitere Möglichkeiten, mit Hilfe einer räumlichen Einordnung und mit dem Körper den negativen Gedanken zu entkommen.
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